Erschienen 2005
Götzis, Vorarlberg, Juli 1962: Der blutjunge Ewald Hämmerle, eigentlich Altwarenhändler, macht eine Privatgalerie auf, in einer kleinen Villa an der Hauptstraße, umgestaltet von Heinz, Rudolf und Siegfried Wäger. Künstler helfen mit: Der Bildhauer Walter Salzmann, die Maler Erich Ess, Norbert Grebmer, vor allem Walter Khüny.
Eine Premiere: Zeitgenössische Kunst im Rheintal. Wotruba und Avramidis beteiligen sich. Auf eine Ausstellung junger Maler aus Vorarlberg folgen Werner Berg, Josef Pillhofer, auch Zeichnungen von Klimt, Schiele und Wacker. Ein Märchen von Moderne in der Provinz, im »vom Misthaufen aus regierten« Wirtschaftswunder-Ländle? Eher nicht: Bereits 1969 stirbt der Gründer. Die Witwe macht bis 1993 weiter.
Dank der Berater Heimo Kuchling und Erich Ess wird die Galerie Haemmerle in der zweiten Phase zu einem »Mekka der Gegenständlichkeit« (Feinig), mitten im Erdbeben, dessen Epizentrum 1968 heißt und die Selbstgewissheit der klassischen Moderne — in Österreich noch kaum gefestigt — ins Wanken bringt. Immer wieder gibt es Überraschungen: Die erste Zwischenbilanz der heute weltweit geachteten Vorarlberger Holzbaumeister ermöglichte 1984 die Galerie in Götzis. Auch den großen »Naiven« Otmar Burtscher haben Ewald Hämmerle und der Kreis um ihn entdeckt. Zum Schluss stellen vor allem ihr Handwerk betonende Künstler wie Oswin Amann, Otto Jungwirth, Hubert Dietrich und Schüler der Linzer Kunsthochschule in Götzis aus. Und Frauen, etwa Edda Wotawa.
Auf schwankendem Boden ist eine Dankabstattung, ein Lob der einfachen Mittel und der Ausdauer: Wer jahrzehntelang — 115 Ausstellungen lang — Kunst ins Gespräch gebracht hat, hat die Gesellschaft mitverändert, jenseits von Spekulation und Elitismus.
Weder Beweihräucherung noch Mainstream-Diskurs, folgt Feinigs Galerie-Geschichte den Linien des Umbruchs, ohne den es die gesellschaftliche und künstlerische Landschaft des gegenwärtigen Vorarlberg nicht gäbe. Der großzügig illustrierte Band will nicht zuletzt den ausgestellten Künstlerinnen und Künstlern gerecht werden (jeweils mindestens eine Doppelseite ist jedem und jeder gewidmet). Der Grafiker Hugo Ender, selbst einer der Ausstellenden, war die Triebfeder der beispielhaften Dokumentation.
Hugo Ender, Willibald Feinig: Auf schwankendem Boden. Geschichte der Galerie Haemmerle in Götzis, Vorarlberg 1962–1993 | Quintessence (Bucher Verlag) 2005 | ISBN 978·3·90224·997·5 |
264 Seiten, Leineneinband mit Schutzumschlag, 23.8×25.4cm, gestaltet von René Dalpra und Hugo Ender