Simone Weil
Notizen zur Abschaffung der politischen Parteien (Übers./Hrsg.)

in zweiter, verbesserter Auflage 2023

"Eine politische Partei dient der Erzeugung kollektiver Leidenschaft.

Eine politische Partei ist so organisiert, dass sie kollektiven Druck auf das Denken jedes einzelnen Menschen ausübt, der ihr angehört.

Erstes und genau genommen einziges Ziel jeder politischen Partei ist ihr eigenes — und zwar unbegrenztes — Wachstum.

Wegen dieser drei Charakteristika ist jede Partei im Keim und ihrem Anspruch nach totalitär. Ist sie es de facto nicht, so nur, weil für die Konkurrenten das Gleiche gilt wie für sie.

Diese Wesensmerkmale sind Fakten. Sie springen jedem ins Auge, der sich näher mit dem Innenleben der Parteien befasst."

“Wie soll das gehen, ein Parlament ohne Parteien?”: Der Widerspruch war zu erwarten und ist wohl auch von der Autorin der Abhandlung mit dem so provokanten wie vorläufigen Titel “Notizen zur Abschaffung der politischen Parteien” erwartet worden. Nicht zu erwarten war, dass die zweisprachige Neuausgabe von Simone Weils in Untergrund und Exil geschriebener Analyse der (Hitler gegenüber) hilf- und wehrlosen französischen Demokratie 2023 nach ein paar Monaten vergriffen und in zweiter Auflage erschienen ist.

Für die Denkerin (1909 - 1943) ist das gewohnte Parteienwesen Resultat und Ausdruck der Unfähigkeit, auseinanderzuhalten, was ein (öffentliches) Gut ist, Gerechtigkeit und Wahrheit, und was nur ein Mittel ist - die Macht etwa. Parteien entbinden den Einzelnen von der Verpflichtung zu denken. Sie würden das Ringen um Verbündete - nach sachgerechter Information - durch Erregung politischer Leidenschaften ersetzen; als Selbstzweck verunmöglichten sie de facto die Mitwirkung aller an der res publica.

Weils Diagnose, im digitalen Zeitalter aktueller denn je, fordert zum Weiterdenken heraus. Bei der Buchpräsentation warf z.B. Marianne Gronemeyer (“Die Macht der Bedürfnisse”) ein, dass die von Simone Weil (und Rousseau) betonte Leidenschaftslosigkeit im Politischen nicht Kompromiss um jeden Preis bedeute; auch das Aushalten des Dissenses, das Wartenkönnen sei notwendig und heilsam in den komplexen Dingen, mit denen Politik zu tun hat. Und der Germanist Jürgen Thaler merkte an, dass der herausfordernde Ton des weilschen Denkens (ähnlich wie beim Zeitgenossen Walter Benjamin) geradezu nach einem Platz für den Denker in der Zeitgenossenschaft schreie, nach mehr Platz für das Denken in der Gesellschaft.

Simone Weil: Notizen zur Abschaffung der politischen Parteien (Note sur la suppression générale des partis politiques). | Zweisprachig, übersetzt und herausgegeben von Willibald Feinig. Verlag Bibliothek der Provinz | ISBN 9·78·3·99126·113·1

64 Seiten, Broschur, 13×18.5cm, gestaltet in der Grafischen Praxis, Feldkirch

Zweite Auflage, März 2023

Willibald Feinig
Bahnstraße 3a · 6844 Altach, Österreich